Multitasking als Lehrer – Schädlich oder zeitsparend?

von Basti  

Dezember 15, 2018

Eigentlich ist Multitasking ja schon von Grundkonzept eher fragwürdig. Mehrere Sachen gleichzeitig durchführen, das kann doch nicht gut gehen. Trotzdem gibt es genug Stimmen, die behaupten, Multitasking als Lehrer sei gerade bei der Vorbereitung nicht nur möglich, sondern auch zeitsparend.

Schließlich ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass es schön wäre, gleichzeitig drucken, laminieren, planen und Formulare ausfüllen zu können. Doch wie wirkt sich das auf die Fehlerhäufigkeit aus? Sind Frauen wirklich besser im gleichzeitigen Arbeiten? Wie ist denn nun die Multitasking-Sachlage?

Was bedeutet eigentlich Multitasking

Multitasken bedeutet, zwei oder mehrere Aktivitäten überlappend durchzuführen. Dies trifft also immer dann zu, wenn du dich nicht auf eine spezielle Aufgabe konzentrierst, sondern mehrere auf einmal durchführst.

Die Effekte von Multitasking bekommst du wunderbar einer kurzen Arte-Doku vorgeführt (übrigens aufgrund der Erwähnung des Smartphones sicher auch für Schüler interessant).

Warum Multitasking schädlich ist

„Multitasking heißt,viele Dinge auf einmal zu vermasseln.“

Erwin Koch

Dieser Spruch ist, wie du gleich sehen wirst, tatsächlich sehr zutreffend. Ich werde dir drei wesentliche Punkte darstellen, aufgrund derer Multitasking ein riesiger Produktivitätshemmer ist.

#1 Die Fehleranfälligkeit steigt

In einer Studie der Universität in Utah wurden Studenten hinter einen Fahrsimulator gesetzt. Dann sollten sie eine SMS schreiben, während sie am Steuer saßen. Das Ergebnis war recht eindeutig: Die Leistungsfähigkeit sank um 40%, es wurden so viele Fehler gemacht wie ein Autofahrer mit 0,8 Promille Alkohol im Blut vorweisen kann.

Eine weitere Studie in Harward untersuchte die Auswirkungen von Multitasking auf überdurchschnittlich begabte Studenten. Die Leistung dieser Denkprofis sank teilweise dermaßen stark ab, dass sie mit der von 8jährigen Kindern verglichen werden konnte.

Diese Darstellung ist sehr extrem und vielleicht nicht als Standard zu betrachten. Dennoch gehen sogar konservative Wissenschaftler von einem fiktiven IQ-Verlust von 15 Punkten aus.

Dass diese Studien nicht nur Hirngespinste darstellen, konnte man vor ein paar Jahren während der „PokémonGO“ Welle beobachten. Hier haben Forscher errechnet, dass es aufgrund der Monstersammler zusätzliche Unfälle mit einem Gesamtschadenswert von 7,5 Milliarden Dollar entstanden waren. (Zur vielsagend benannten Studie „Death by Pokémon Go“) 

Fazit: Dass die Fehleranfälligkeit durch Multitasking enorm ansteigt, ist nicht von der Hand zuweisen. Hierbei sollte man aber nicht nur an das Handy im Straßenverkehr denken, sondern auch an die täglichen Aufgaben, die uns gestellt werden. Konkret für unseren Berufsstand: Multitasking als Lehrer führt zu hoher Fehleranfälligkeit und in den meisten Fällen dann zu eigentlich vermeidbarem Mehraufwand.

#2 Du verlierst Zeit

Interessanterweise gibt es aus neurobiologischer Sicht überhaupt kein Multitasking. Das Gehirn kann maximal zwei komplexe Aufgaben gleichzeitig durchführen, es wechselt nur unglaublich schnell zwischen zwei Denkmustern hin und her. Dies geschieht aber natürlich niemals ohne Verluste (sogenannte switching costs).

Das bedeutet, dass du alleine schon durch diese winzigen Umschaltzeiten zwischen den beiden Tätigkeiten Zeit verlierst. Forscher schätzen, dass man durch dieses Switchen schon 40 % länger braucht. 40 % mehr Arbeit! Höre auf mit dem Multitasking und deine 7-Tage-Woche wird plötzlich in 5 Tagen erledigt! (Ja, ich weiß dass dieser Vergleich hinkt)

#3 Multitasking stresst

Zusätzlich zu den Zeitverlusten durch Multitasking kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: der Stress. Du kennst das vermutlich aus dem Unterricht, wenn du 7 Schülern gleichzeitig helfen und währenddessen Schülerbeobachtungen niederschreiben sollst und dann auch noch der Chef klopft. Pure Belastung.

Tatsächlich zeigen auch hier Studien, dass nach 20 Minuten Multitasking das Stresslevel extrem nach oben geht. Dementsprechend höher wird die Belastung, was die Fehleranfälligkeit noch weiter nach oben schraubt. In der Schule kann diese Belastung nie ganz vermieden werden. Warum aber sollte man sich in anderen Situationen mit sowas konfrontieren?

Wann Multitasking tatsächlich funktionieren kann

Multitasking ist dann, zumindest theoretisch, möglich, wenn wir Inputs über verschiedene Sinne aufnehmen. Wir sind also grundsätzlich dazu in der Lage, gleichzeitig zu telefonieren und visuelle Reize aufzunehmen. Selbst diese Regelung unterliegt aber einigen Einschränkungen.

Wann du auf Multitasking verzichten solltest

#1 Beim Treffen von Entscheidungen

Das Gehirn wird vollständig beansprucht, wenn du Entscheidungen treffen musst. Daher kann es in diesem Moment keine zusätzlichen Reize gebrauchen. Beim Treffen von Entscheidungen ist es daher sehr sinnvoll, einen klaren Moment der Ruhe zu schaffen und sich nur auf diese Entscheidung zu konzentrieren. Ablenkungen verschlechtern die Entscheidungsqualität und verlängern auch den Entscheidungsprozess.

#2 Wenn du schnell arbeiten möchtest

Da bei jeder Art von Arbeit üblicherweise mehrere Sinne angesprochen werden, ist es eigentlich nur logisch, dass zwei überlappende Arbeiten automatisch zu Problemen führen. Sobald du also zeitgleich beginnst, am PC deinen Verlaufsplan zu schreiben und zu laminieren, überschneiden sich verschiedene Prozesse im Gehirn. Das Ergebnis: keine der beiden Aktivitäten läuft wirklich fehlerfrei ab.

#3 Wenn du Nicht-Standardaufgaben erledigst

Tatsächlich lässt sich Multitasking für bestimmte, „stumpfe“ Aufgaben erlernen. Dies trifft aber nur auf automatisierte, sich stets gleich wiederholende Prozesse zu. Und selbst diese Prozesse werden gestört, sobald eine unerwartete Neuerung auftritt.

Und wie ist das jetzt mit den Frauen?

Zuerst: Eine Klare und abschließende Aussage liefert die Forschung bisher nicht. Mittlerweile gibt es aber zumindest einige Studien, die Rückschlüsse auf den Multitasking-Unterschied zwischen Mann und Frau geben können. Und diese deuten zumindest darauf hin, dass Frauen (v.a. jüngeren Alters) weniger anfällig für Störungen durch die Überlappung zweier Aufgaben sind. 

Dies scheint vor allem der Fall zu sein, wenn sprachliche Fähigkeiten beansprucht werden, da das Gehirn von jungen Frauen hierbei nicht so stark ausgelastet wird, wie das von Männern. (Bei Interesse: hier findest du die Studie)

Bevor du jetzt aber laut „Hurra“ schreist bedenke dennoch: Dass der Überlappungs-Effekt weniger gravierend ist heißt nicht, dass er gar nicht auftritt. Auch bei Frauen ist Multitasking eine Bremse der Produktivität, die jedoch nicht so stark zur Geltung kommt wie bei Männern.

Fazit: Lass es doch bitte sein

Ich kann dies alles aus meinem Erfahrungsbereich nur bestätigen. Multitasking ist Gift für effizientes Arbeiten. Wenn du Unterricht planst, dann plane nur Unterricht. Wenn du einen Einstieg suchst, dann bitte suche nicht nebenbei nach Aufgaben. Und wenn du bei der Planung nebenbei den Fernseher anhast, wirst du definitiv doppelt so lange brauchen und hast von beiden Tätigkeiten nichts.

Bis zum nächsten Mal.

Und denk dran: Auch Lehrer haben ein Recht auf Zeit.

Basti


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