Perfektionismus Teil 2 – Lösungsansätze

von Basti  

April 15, 2017

Der letzte Artikel erläuterte die Entstehung und die Folgen von Perfektionismus und den Einfluss auf das Zeitmanagement, den Stress und sogar die steigende Burnout-Gefahr für Lehrer. In diesem Artikel möchte ich dir 10 erste Lösungsansätze vorstellen, um deinen Perfektionismus zu bekämpfen.

1. Pareto-Prinzip (80/20-Regel) gegen Perfektionismus

Die 80/20 – Regel besagt, dass 20% des Arbeitsaufwandes 80% des Erfolges ausmachen. Das bedeutet auch, dass du für die perfekten 100% fünfmal so viel Zeit benötigst. Konkret heißt das im Schulalltag: Wenn du eine gute und funktionierende Alltagsstunde in 20 Minuten planst, brauchst du für die perfekte Unterrichtseinheit 100 Minuten.

Darum: Höre auf zu planen, wenn die Einheit funktioniert. Du wirst für den Rest nur noch unverhältnismäßig viel Zeit benötigen.

Für ausführlichere Informationen lies meinen Artikel zum Pareto-Prinzip.

2. Miss deine Zeit

Wie bereits im Artikel  „Als Lehrer der Zeit einen Wert geben“ erklärt, hilft das Messen der gearbeiteten Zeit, sich selbst unter Kontrolle zu halten. Die Motivation effektiv zu arbeiten steigt zusätzlich, wenn man seiner Arbeit sogar einen Lohn zuweist. Deine Zeit ist wertvoll.

3. Betrachte das große Ganze

Überlege dir bei einzelnen Arbeitsschritten, wie wichtig sie für das Erreichen des eigentlichen Ziels sind. Macht es Sinn, noch einmal 30 Minuten für das Erstellen eines neuen Arbeitsblattes aufzuwenden, oder erreichst du dein Ziel auch, wenn du das bereits vorhandene Arbeitsblatt verwendest?

Denke bei Details darüber nach, ob sie wirklich notwendig sind, um dem großen Ganzen, also beispielsweise dem Erreichen eines bestimmten Teilziels, zu dienen.

4. Setze auf die Kunst der Improvisation

Mein Betreuungslehrer im zweiten Referendariatsjahr sagte einmal am Ende einer sehr langen Lehrerkonferenz zu mir: „Du arbeitest heute nichts mehr, du musst jetzt mal lernen, einen Tag komplett ohne Planung in die Schule zu kommen.“ Gesagt, getan. Und was soll ich sagen, ich habe überlebt. Für mich war dieser Tag ein Augenöffner.

Gerade wer Probleme hat, sich mit 80-prozentigen Lösungen zufrieden zu geben, sollte einmal diesen radikalen Schritt wagen. Natürlich empfehle ich nicht, nur so Unterricht zu machen. Aber es kann ein unglaublich befreiendes Gefühl sein, zu merken, dass Schule auch mal einen Tag komplett ohne Vorbereitung funktionieren kann.

5. Mache dir einen Zeitplan

Lege dir vorm Erledigen der Aufgaben ein Zeitlimit fest. Und dann halte dich daran. Suche jemanden, der dich kontrolliert, wenn du es selbst nicht schaffst, nach der gesetzten Zeit tatsächlich aufzuhören. Stelle dir einen Timer, der sichtbar neben dir abläuft. Solltest du tatsächlich nicht fertig werden, dann höre trotzdem auf. Arbeite am nächsten Tag an der Aufgabe weiter oder, wenn sie dann schon erledigt sein sollte, improvisiere.

Es klingt vermutlich zunächst etwas seltsam, aber alleine durch das Festlegen von Zeitlimits erhöht sich die Hemmschwelle, zu viel Arbeit in eine Aufgabe zu stecken. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit der Zeit den nötigen Zeitaufwand immer besser einzuschätzen gelernt habe. Und mit ein bisschen Übung fällt es auch zunehmend leichter, die gesetzten Zeitlimits einzuhalten.

Lies dazu auch meinen Artikel zum Tagesplan für Lehrer.

6. One Task Methode

Gute und schön ausgearbeitete Stunden machen auch dem Lehrer Freude. Deswegen wäre es natürlich auch nicht richtig, nur noch nach Pareto-Prinzip zu leben. Aber wo anfangen? Eine Möglichkeit ist die „One-Task-Methode“.

Hierbei setzt du dir nur eine bestimmte Aufgabe, die du dann besonders gut erledigen „darfst“. Beispielsweise nimmst du dir eine Einführungsstunde, für welche du dann längere Planungszeit aufwendest. Die restlichen fünf Stunden des Tages, planst du effektiv und schnell.

7. Termine gegen das Parkinson’sche Gesetz

Ein weiterer, vielleicht ein bisschen ungewöhnlicher Tipp: Suche dir etwas, das dich an einen festen Termin in der Woche bindet.

Nach dem Gesetz von Parkinson dehnt sich eine Aufgabe in dem Maße aus, in dem Zeit für sie zur Verfügung habe. Das bedeutet: Habe ich den ganzen Mittwoch zur Verfügung, um Unterricht zu planen, wird meine Planung auch den ganzen Mittwoch dauern.

Wenn sich aber am Mittwoch der Theaterverein trifft, dann muss der Unterricht für den Donnerstag eben schon vorher fertig erledigt sein. Somit muss von vorneherein mit der Zeit gehaushaltet werden, die Möglichkeiten, den Perfektionismus auszuleben, sind unterbunden.

Erfahre in meinem Artikel zum Parkinson’schen Gesetz, was du alles gegen das Verzetteln tun kannst.

8. Vergleiche dich nicht mit Anderen

Es gibt Menschen, deren Leben durch Facebook, Instagramm und Co. zur Hölle wird. Der Grund: Es werden einem nur die gefilterten, perfekten Augenblicke der anderen Menschen im besten Licht präsentiert. Bei starkem Social-Media-Konsum entwickelt man so das Gefühl, das eigene Leben sei schlechter als das aller Anderen. Dies kann sogar zur Depression führen.

Der Vergleich mit Anderen kann also das eigene Selbstbild schwächen. Zum Perfektionismus neigende Menschen fühlen sich so in ihrem Denken bestätigt, den Ansprüchen der Welt nicht gerecht zu werden. Dies lässt sich auch auf die Schule übertragen.

Wer in seiner Freizeit gerne auf Lehrerblogs oder -homepages surft, findet sehr schnell auch Seiten, an denen gigantisch gute, größtenteils selbst gebastelte Materialien vorgezeigt werden. Diese Menge an perfekten Unterrichtssammlungen kann einen erschlagen. Der Gedanke drängt sich auf: „Mein Material ist nicht gut genug. Ich muss es besser machen.“ Auf Wiedersehen Freizeit.

Ebenso kennen wir diesen einen Kollegen, der dieses wahnsinnig schön gestaltete Klassenzimmer hat. Wie macht er das nur? Wer solch ein Klassenzimmer ohne Filter betritt, kann sich nicht dagegen wehren, die eigene Arbeit anzuzweifeln.

Eines sollte man an solchen Stellen nicht vergessen: Manchen Leuten macht es unwahrscheinlich Spass, perfekte Unterrichtsmaterialien zu erstellen. Und daran ist nun auch wirklich nichts Verwerfliches. Wer jedoch in seinem Lehrerdasein sein Zeitmanagement unter Kontrolle bekommen möchte, sollte sich einen Wahlspruch vor Augen halten:

Miss dich nicht an Anderen. Miss dich an dir selbst.

9. Gestehe dir ein, dass Fehler erlaubt sind

Die Geschichte der Menschheit ist voller großer und schwerwiegender Fehler. Tippfehler in Arbeitsblättern gehören nicht dazu. Mir hilft es immer ungemein, mir klar zu machen, dass Fehler erlaubt sind. Auch Schüler sind sehr kulant im Umgang mit Lehrerfehlern, solange man offen und ehrlich damit umgeht. Zudem: Fehler stellen immer auch eine Möglichkeit dar, zu lernen.

Lies dazu auch meine Seite zu Rechtschreibfehlern.

10. Lache über dich selbst

Eng mit dem vorherigen Tipp verbunden, ist es immer gut, bei Fehlern über sich selbst zu lachen. Eigene Versäumnisse mit Humor zu nehmen, hat verschiedene Vorteile.

Zum Einen verliert auf diese Weise ein Fehler an Bedeutsamkeit. Wer bei einem Fehler mit einem Lachen reagiert, nimmt seinem Perfektionismus den Spielraum.

Zum Anderen wirkt dieses Verhalten sich auch positiv auf die Leute aus, die einen Fehler miterleben. Die Klasse ist froh zu sehen, dass auch ihr Lehrer Fehler macht. Kommentiert dieser seinen Fehler mit einem kurzen Lachen und vielleicht sogar einer kleinen Entschuldigung, so reagieren auch die Schüler entspannt und gelassen.

Also ein kleiner Versuch: Reagiere bei deinem nächsten Fehler souverän und mit Humor. Achte dann auf die Reaktion der Schüler.
Zusammenfassend habe ich hier zehn erste Denkansätze geliefert, wie du dich als Lehrer gegen deinen Perfektionismus stellen kannst. Dein Stress-Level wird es dir danken.


Welche Methoden verwendest du, um dich vor Perfektionismus zu schützen? Bist du mit allen Ansätzen einverstanden? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

Bis zum nächsten mal.

Und vergiss nicht: Auch Lehrer haben ein Recht auf Zeit.

Basti


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