Perfektionismus Teil 1 – Ursachen und Folgen

von Basti  

April 11, 2017

Was haben Perfektionismus und Lehrer miteinander zu tun? Laut Studie „Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal“ des Aktionsrates Bildung gab ein Drittel der Menschen in deutschen Bildungseinrichtugen an, unter zu hohen Belastungen zu leiden.

Es herrscht also bei einem Drittel realistische Burnout-Gefahr. Ebenso besitzt ein Drittel der Lehrkräfte übermäßig stark ausgeprägte perfektionistische Züge. (Klippert, 2006)

Das mag Zufall sein. Allerdings lässt sich ein Zusammenhang von Perfektionismus und Problemen gerade beim Zeitmanagement nicht von der Hand weisen.

In diesem Artikel geht es um die Ursachen und die Folgen eines zu großen Perfektionismus‘. Lies dazu auch den zweiten Teil:
Perfektionismus Teil 2: Lösungsansätze

Ursachen für Perfektionismus

Die Krankheit unserer Zeit ist der Perfektionismus.

Konrad Adenauer

Kindheit

Glaubt man Psychologen, entsteht Perfektionismus zumeist im Elternhaus. Er kann sich entwickeln, wenn man bereits in der frühen Kindheit Liebe, Anerkennung und Zuneigung vor allem im Austausch für erbrachte Leistungen oder Errungenschaften erhalten hat.  Dies führt dazu, dass man auch im späteren Alter seinen persönlichen Wert nur anhand von Erfolgen festsetzt. Es entsteht der fatale Gedanke „Ist es nicht perfekt, so ist es wertlos und somit bin auch ich wertlos.“
Hör dir dazu auch mal mein Interview mit Jenny Brandt zum schlechten Gewissen an.

Schulische Faktoren

Meines Erachtens kommen in unserem Beruf noch weitere Faktoren hinzu. Als erstes würde ich da die überzogenen Erwartungen des Referendariats stellen. Im Vorbereitungsdienst werden von uns quasi ständig Bestleistungen gefordert. Ich kann zumindest für mich behaupten, dass ich im Seminar nicht gelernt habe, Alltagsstunden zu planen. Stattdessen wurde das Gefühl vermittelt, guter Unterricht ist nur beim übermäßigen und perfekten Einsatz von Medien, Sozialformen und siebenfacher Differenzierung möglich.

Lies dazu: 15 Zeitsparende Möglichkeiten, Differenzierung mit dem Schulbuch zu erreichen

Was bei einer Stunde am Tag noch machbar ist, ist bei sechs Stunden in Folge einfach nicht zu leisten. Ich kenne jedoch nicht nur ein Beispiel eines Kollegen, der den Übergang von Referendariat zu Berufsalltag nicht meistern konnte. Diese Lehrer mussten sehr bald feststellen, dass bei einer solchen Art der Arbeit nicht mehr als zwei Stunden Schlaf pro Nacht drin sind. Die Auswirkungen auf die Gesundheit muss ich nicht weiter erklären.

Einfluss von Außen

Ein weiterer Grund für Perfektionismus im Lehrerberuf ist der Druck von Außenstehenden. Damit meine ich zum Einem die Eltern.

Wenn ich an die Grundschullehrkraft denke, die sich mit Anwaltdrohungen durch Helikoptereltern auseinander setzen muss, kann ich gut nachvollziehen, dass jede Unterrichtseinheit doppelt und dreifach überdacht wird. Die Lehrkraft im Gymnasium, die den Arztvater zum vierten Mal in der Sprechstunde hat um zu erklären, warum der Sohnemann den halben Punkt nicht bekommen hat, wird sich zwangsläufig wesentlich länger mit den Korrekturen beschäftigen, um auf Nummer Sicher zu gehen.

Daneben hat die Öffentlichkeit von unserem Beruf eh ein eher negatives Bild. Der Lehrer wird gerne als faul und überbezahlt bezeichnet. Die Berichterstattung in den Medien tut teilweise ihr Übriges (wobei ich in letzter Zeit den Eindruck habe, dass wenigstens hier eine Besserung eintritt). Wer von Natur aus anfällig dafür ist, solche Darstellungen persönlich zu nehmen, kann in die problematische Situation kommen, in den „Das lasse ich mir nicht nachsagen“ – Gedanken zu verfallen. Das Resultat: Ein zusätzlich hohes Maß an Perfektionismus, um Kritikern keine Angriffsfläche zu bieten.

Folgen für das Zeitmanagement

Die Folgen von Perfektionismus sind sehr vielschichtig, bishin zu seelischen und körperlichen Leiden. Hier möchte ich aber lediglich auf die Folgen für das Zeitmanagement eingehen.

Aufgaben werden nicht beendet

Klar ist, dass der Perfektionist sich unglaublich schwer tut, seine Aufgaben und Arbeiten zu beenden. Beim Lehrer macht sich das natürlich vor allem in der Unterrichtsplanung bemerkbar. Wenn jedes Arbeitsblatt perfekt strukturiert, jede Arbeitsanweisung fehlerfrei und wasserdicht sein müssen, dann braucht das einfach Zeit. Das richtige Bild zu finden kann lange dauern, den 100% passenden Lehrfilm entdeckt man vielleicht erst nach ewiger Recherche. Das Resultat ist klar: Unglaublich hoher Arbeitsaufwand. Gerade wer hier gefährdet ist, sollte unbedingt Teil 2 lesen.

Keine neuen Aufgaben

Perfektionismus kann sogar dazu führen, eine Aufgabe erst gar nicht zu beginnen. Das Wissen, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können, verhindert den Beginn einer Aktivität. Es entsteht Angst. Damit trägt Perfektionismus zu bekannten Aufschieberitis bei. Der Lehrer, der bespielsweise weiß, dass er ein neues Klassenprojekt erst starten kann und will, wenn es zu 100 % ausgearbeitet und ausgefeilt ist, kann so im Vorfeld schon sämtliche Motivation verlieren.

Stresszustand

Interessanterweise bringen sich Perfektionisten durch ihr Streben nach Perfektion selbst zu körperlicher Unruhe. Es herrscht ein andauernder Zustand der Anspannung. Man versetzt sich selbst in einen Stresszustand. Mit dem Ergebnis, dass man alles andere als effektiv dabei wird. Man macht Fehler, die es dann natürlich auch wieder auszubügeln gilt, ein Teufelskreis. Auf diese Weise wird zusätzlich noch weiter an der eigenen Freizeit gesägt.

Perfektionismus und Lehrerberuf

Um mich richtig zu verstehen noch eine Klarstellung: Ich finde Perfektionismus nichts Verwerfliches. Es gibt Berufe, die ohne Perfektionismus nicht auskommen könnten. Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass  in unserem Beruf erhöhter Perfektionismus der erste Schritt zum Burnout ist. 27 Wochenstunden, Korrekturen, Elternbriefe, Förderpläne perfekt zu gestalten, ist nicht leistbar.

Wie kannst du weitermachen?

Wenn du dich angesprochen fühlst, und etwas an deinem Perfektionismus ändern willst, dann lies auch Teil 2. Dort werde ich dir einige erste Lösungsansätze kurz vorstellen. Denn irgendwo muss man mal anfangen.

Kennst du Perfektionisten? Siehst du dich selber gefährdet? Welche Erfahrungen zum Perfektionismus hast du gemacht? Ich freue mich über deine Kommentare.

Bis zum nächsten mal.

Und vergiss nicht: Auch Lehrer haben ein Recht auf Zeit.

Basti


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